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Schlecht in der Schule, erfolgreich im Job

von | Aug 31, 2024 | Persönliches | 0 Kommentare

Gastbeitrag von Mathias Hanke

 

„Lern was G’scheits, damit was wird aus dir!“ – wer kennt nicht diese Phrase und noch bezeichnender, wer hat sie nicht schon selbst von sich gegeben.

Im Grunde ist nichts Falsches daran. Die Fragen, die sich mir jedoch stellen, WAS muss gelernt werden und viel wichtiger WIE muss gelernt werden.

Wenn ich meine Bildung“Karriere“ reflektiere, muss ich ernsthaft infrage stellen, dass aus mir was werden konnte – was auch immer das heißen mag.

Was ist „was geworden sein“ überhaupt?

Dieser Artikel ist mein Beitrag zur Blogparade „Lebensglück trotz schlechter Noten“ meiner Frau Bianca Hanke.

Meine Schullaufbahn

 

Bereits in der Volksschule wurde attestiert, dass ich besser in einer Hauptschule als in einem Gymnasium aufgehoben wäre. Hauptschulen in Wien, zumindest in unserem Einzugsgebiet und Mitte der 1980er-Jahre, waren keinesfalls förderlich für eine gute [Aus]Bildung. Zudem wechselten alle meine Freunde in Gymnasien. Somit war klar, dass wir – meine Eltern und ich – den schwierigeren Weg gingen, wobei ich in der Rückschau nicht sicher sagen kann, ob der Weg, mich durchs Gymnasium zu bekommen, für meine Eltern nicht schwieriger war als für mich. Wie viele Elternsprechstunden, wie viele Streitereien diese 4 Jahre begleiteten kann ich, zum Glück, nicht sagen, es waren jedenfalls zu viele.

Nach der Unterstufe kam der Wechsel auf eine HTL. Wie sich im Nachhinein herausstellte, ein Wechsel mit vielen positiven Aspekten. Nicht nur, dass mit dem Abschluss einer höheren Schule auch der Abschluss einer Berufsausbildung einhergeht. Es hat mir auch gezeigt, dass mir konstruktives Erarbeiten wesentlich leichter fällt, als vermeintlich stupides Auswendiglernen. Dazu gleich mehr.

Die ersten 2 Jahre waren hart, da hier „ausgesiebt“ wird. Es werden alle Schülerinnen und Schüler, die aus den verschiedensten Schulen kommen, auf ein Level gebracht, was auch mit sich bringt, dass die eine oder der andere wieder aufhört, oder ein Jahr wiederholt. So werden neben den technischen Gegenständen auch noch die allgemeinen Fächer wie Deutsch, Englisch, Mathematik, usw. gelehrt. Das ist grundsätzlich sinnvoll und jedenfalls zu begrüßen, trotzdem hat es mich dann in der 2. Klasse erwischt und so kam auch ich zu einer Ehrenrunde. Was im Moment nach Katastrophe aussah, war im Endeffekt eine glückliche Fügung, da ich dadurch Menschen kennenlernten durfte, von denen nun ein paar zu meinen besten und engsten Freunden zählen darf. Und im Lebenslauf sind das maximal Jahreszahlen.

 

Dann ging mir der sogenannte Knopf auf …

 

Ich war zwar weit weg davon, ein guter Schüler zu sein, aber das Modell HTL passte besser zu mir. Die Lehrer gingen erwachsener, respektvoller mit einem um und zum Teil war man auch per Sie. Die Lehrinhalte fingen an mich zu interessieren, waren auch konkreter, wenngleich nicht einfacher und es ging größtenteils ums Verstehen und Begreifen. Meine Eltern und ich schlossen damals den Deal ab, wenn ich nach meinen Regeln lerne und es gut geht, lassen sie mich gewähren – und es ging auf.

Mit dieser elterlichen, vor allem emotionalen Unterstützung und der Hilfe meiner Sitznachbarn waren die folgenden 3 Jahre durchaus positiv. In den Ferien ging ich jedes Jahr auf verschiedenen Baustellen und auch im Architekturbüro meines Vaters arbeiten. Nicht nur, weil es für den Abschluss gefordert wurde, sondern auch weil das damit erwirtschaftete Geld durchaus praktisch war. Das, was ich damals lernen konnte, war abseits des fachspezifischen aber auch das, was mich heutzutage in meinem beruflichen Alltag begleitet – der Umgang mit unterschiedlichen Menschen in unterschiedliches Situationen.

Ich schaffte somit die HTL und schloss, es wundert mich bis heute, mit einem überraschend guten Zeugnis ab. Der Moment, an dem wir nach positiv absolvierter Matura, vor der HTL gestanden sind, im Anzug, feiernd und tatsächlich von vorbeikommenden Passanten beglückwünscht wurden, bleibt mir für immer im Gedächtnis. Das war der Punkt: „Jetzt hast Du es geschafft!“. Die Mischung aus Stolz, Erleichterung und einem gewissen Maß an gefühlter Unverletzbarkeit war einzigartig. Jedes Mal, wenn ich an der HTL vorbeifahre oder noch schöner, die HTL betrete, wie zuletzt zu den Maturafeiern meiner Nichte und meines Neffen, kommt dieses Gefühl zumindest ansatzweise wieder auf.

 

Mit Zwischenstopp zum Job

 

Dann kam das Bundesheer, für den Zivildienst war ich offen geschrieben zu feig und die 8 Monate beim Heer das geringere Übel für mich. Aber auch hier zeigte sich, dass mir der Umgang mit den unterschiedlichsten Menschen lag, gleich ob Kameraden oder Vorgesetzte.

Nach dem Abrüsteten startete ich noch einmal ein Experiment, ich inskribierte auf der TU, genauer gesagt habe ich das Studium der Raumplanung begonnen.

Die ersten 2 Semester waren wirklich gut, hier ging es um viel praktisches Erarbeiten, Planen, Gestalten – dann kam VWL, wirklich interessant und nach den 8 Monaten beim Heer, saugte ich die Inhalte aus dem wahrlich dicken Skriptum interessiert auf. Leider hatte ich zur Prüfung das Skriptum nur zur guten Hälfte durchgearbeitet und die Prüfung umfasste dann doch das gesamte – somit ein glatter Fünfer.

Ich stellte mir somit die Gewissensfrage, weiter studieren – wie lange dies wohl dauern würde – oder zu arbeiten beginnen. Eine Ausbildung hatte ich dank HTL ja bereits. Die Entscheidung war dann recht klar und einfach, ist startete in die Arbeitswelt, zuerst ein 3/4 Jahr Praktikum im Gebiet des Gebäude-Contractings, bei dem ich auch viel mitnehmen durfte.

Als nicht klar war, ob ich meinen Vertrag verlängern konnte, habe ich mich auf Jobsuche begeben. Ich schrieb Bewerbungen in alle Richtungen und erhielt aus allen diesen Richtungen auch Absagen.

 

Mein Einstieg in die Baustoffindustrie

 

Bis ich ein Inserat gefunden habe, das den Start in meine Karriere in der Baustoffindustrie bedeutete. Ich hatte zwar damals nicht viel Ahnung, was das denn alles genau ist, mein damaliger Chef erkannte aber scheinbar, dass mit mir was anzufangen wäre. Es hat einfach gepasst, ich arbeitete und lernte viel. Ich bekam mehr und mehr an Aufgaben, wurde immer breiter und verantwortungsvoller eingesetzt. Ein Kollege, den ich heute noch gerne als meinen Mentor bezeichne, nahm mich zusätzlich unter seine Fittiche. Er ließ keine Frage unbeantwortet und nahm mich bei vielen seiner Tätigkeiten mit. So konnte ich den Grundstock meines heutigen Tuns erlernen und aufbauen. Hier begann auch meine Arbeit in unterschiedlichen Fachgremien – im Fachverband und der Normung. Die Kombination aus Arbeiten, dabei lernen und, abermals der Umgang mit unterschiedlichsten Menschen (ich bediente damals auch die technische Telefon-Hotline) lag mir.

8 Jahre beriet ich Leute am Telefon, fuhr auf Baustellen für technische Beratungen, schrieb Sanierempfehlungen und war in Normung und Verband aktiv. Stolz kann ich heute zurückblickend sagen, dass einiges an und in den Regelwerken meine Handschrift trägt.

Dann wollte ich den nächsten Schritt in der Karriereleiter machen. Da das in diesem Unternehmen nur mit einem Umzug in ein anderes Bundesland möglich gewesen wäre, begab ich mir abermals auf Jobsuche. Dank der Gremienarbeit kannte ich mein Umfeld und so führte das eine zum anderen. Meinen damaligen direkten Vorgesetzten kannte ich bereits und so wechselte ich zu meinem jetzigen Arbeitgeber als Produktmanager.

Hier konnte ich den Weg, meinen Weg weitergehen. Selbstständiges Arbeiten, sich und auch andere weiter entwickeln, Fehler machen, diese aber auch wieder ausmerzen und am wichtigsten, aus diesen lernen war bei beiden Unternehmen wesentlich für meine Karriere.

 

… und plötzlich bin ich Chef!

 

Nach 6 Jahren verließ mein Vorgesetzter das Unternehmen und ich bekam die Chance, die Abteilungsleitung zu übernehmen. Auf einmal hieß es, „Hanke, du bist jetzt auch Chef!“. Anfangs war das fast ein bisschen surreal für mich. Ich erinnere mich, als ich von einem Workshop mit anderen Abteilungsleitern meiner Frau eine Nachricht schrieb, wie besonders dies für mich ist.

Das war, denke ich, auch eines der ersten Male, wo ich meinen bisherigen Bildungs- und Arbeitsweg reflektierte, wo all die Fragen, gar Zweifel irrelevant wurden.

Mittlerweile führe ich die Abteilung seit über 10 Jahren, ich nahm Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf, einige verließen auch das Unternehmen wieder und gingen andere Wege. Die Aufgabe ein Team zusammenzustellen, dieses zu führen, zu begleiten, zu entwickeln ist eine spannende. Die Transformation vom Fach-Experten, der auf jede technische Frage eine Antwort parat hatte zu einem Vorgesetzten, der technisch nicht mehr im Detail ist, aber die passenden Mitarbeiter dafür hat und deswegen loslassen kann, ja soll, ist durchaus fordernd gewesen.

Mein Alltag besteht daraus Mitarbeiter zu begleiten, Troubleshooting, wenn’s mal eng wird, Konzepte im Kollegenkreis zu erarbeiten, Kollegen und Kunden zu schulen, in Gremien unsere Interessen zu vertreten, mit Experten in Diskurs zu gehen, Lösungen auszuarbeiten und entsprechende Regeln zu schreiben. Netzwerken und gemeinsames Tun zieht sich durch, all diese roten Fäden werden zu meinem roten Tau. Genau dieses breite Betätigungsfeld beschreibt mein Wesen, meine Art, eventuell bin ich gerade darin deshalb erfolgreich, weil ich kein guter Mathematiker oder Auswendiglerner bin.

 

Gibt es die „richtige“ Ausbildung überhaupt?

 

Zurückblickend und beim Versuch, die Frage zu beantworten, was ist die richtige, weil passende Ausbildung, kann ich keine klare Antwort geben. Kompetenzen sind so individuell wie die Menschen. Beim Blick auf meine Schullaufbahn muss ich aber immer an den Comic denken, bei dem unterschiedliche Tiere – ein Nashorn, ein Affe, eine Giraffe, ein Walross und ein Pinguin – vor einem Baum stehen und die Aufgabe gestellt bekommen, auf diesen zu klettern. Klar ist, dass nicht für jeden Schüler ein Baum, ein Pool oder eine Eisscholle geschaffen werden kann. Ziel muss es aber doch sein, individuelle Stärken zu stärken – auch wenn diese Phrase schon recht abgedroschen ist, so hat sie nichts an Relevanz verloren. Mit der Aufgabenstellung, eine Frucht zu pflücken, wäre zumindest auch die Giraffe im Rennen. Und mit etwas pädagogischer Kreativität könnten die anderen auch mitgenommen werden.

 

Im späteren Leben, das zeigt mir mein Weg sehr klar, helfen genau diese Stärken erfolgreich zu sein und den Beruf zu finden, der passt. Gleich wie viel Mathematiknachhilfe ich hatte, aus mir wäre nie ein Mathematiker oder, meine Branche betreffend, ein guter Statiker geworden. Ein gesundes Maß an sozialer und emotionaler Intelligenz, Fleiß und die Möglichkeit vernetzt zu denken sind jene Aspekte, die mein Leben begleiten. Erstere bekam ich mit Sicherheit von meinen Eltern, meinem familiären und sozialen Umfeld mit. Das vernetzte Denken, das breite, vielleicht nicht allzu tiefe, aber vielleicht deshalb gute Fachwissen kann ich der Ausbildung in der HTL zuordnen.

 

Was wäre, wenn …

 

Vielleicht wäre das Modell der Lehre mit Matura, das es damals so allerdings noch nicht gab, der bessere Weg für mich gewesen.

Vielleicht wäre auch eine Lehre im kreative Bereich, beispielsweise in der Fotografie das passende gewesen, dann wäre meine jetzige Leidenschaft mein Beruf und ich dürfe mich auch mit den profanen Dingen wie der Buchhaltung, der Job-Akquise und dem Auf-den-Punkt-abliefern auseinandersetzen.

Vielleicht litte dann genau diese Leidenschaft darunter.

Vielleicht war aber gerade auch der steinige Weg, der richtige für mich, um das zu werden, was ich bin.

 

So wie im Vorhinein nicht gesagt werden kann, was künftig gut sein wird, lässt sich im Nachhinein die Frage „was wäre, wenn“ genauso wenig vollständig beantworten.

Ironischerweise glaubt mir heute niemand, vor allem in meinem beruflichen Umfeld, dass ich ein schlechter Schüler war, dass ich gar sitzen geblieben bin. Was sagt das über mich, bzw. unser Schulsystem (ich schreibe absichtlich nicht Bildungssystem) aus?

Offen sein, die wahren Kompetenzen, bzw. wie in der Berufswelt oft genannt „Skills“, erkennen und diese fördern, ist in der Mitarbeiterführung, aber noch wichtiger als Elternteil entscheidend. In diesem Zusammenhang darf aber auch die Lehrerschaft ihre Qualitäten zeigen.

Mit diesen Zeilen möchte ich mich, vielleicht zu spät, vielleicht zu unauffällig, bei meinem Umfeld, beginnend bei meinen Eltern, bei meinen Schulkolleginnen und -kollegen, Freunden und nicht zuletzt bei meiner Frau bedanken, die nun mein berufliches Tun und alles was damit einhergeht begleitet.

Nach all den „Vielleichts“ in meinem bisherigen Leben, kann ich heute durchaus mit Stolz sagen, „ich habe was G’scheits gelernt, und aus mir ist was geworden!“, ob das alles der Schullaufbahn zuzurechnen ist, lasse ich die geneigte Leserschaft interpretieren.

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